Mikrobiom als Organ – Fact oder Science Fiction
Urkundenübergabe und Leopoldina-Vorlesung von Prof. Dr. Dirk Haller
Mehr als 10 Billionen Mikroben besiedeln den menschlichen Körper sowohl außerhalb als auch innerhalb. Der größte Teil dieser mikrobiellen Biomasse befindet sich im Darm. Die schätzungsweise 170 Millionen Proteine der mehr als 4600 Bakterienarten tragen zur enormen funktionellen Kapazität des menschlichen Mikrobioms bei. Der mikrobielle Fingerabdruck ist individuell einzigartig und zeichnet sich durch eine symbiotische Allianz mit dem Wirt aus. Eine spannende Frage ist, ob und wie sich Mikroben an den tagesrhythmischen Verlauf im Darm anpassen – eine wissenschaftliche Tatsache oder doch eher Science-Fiction?Wie ein Organ kann das Mikrobiom bei Störungen aus dem Gleichgewicht geraten, wodurch die Allianz mit dem Wirt gestört wird. Dies könnte zur Entstehung unterschiedlichster Erkrankungen beitragen. Diese Hypothese wird derzeit intensiv untersucht, und erste mikrobiombasierte Therapien sind bereits für Infektionskrankheiten zugelassen. Für den Erfolg weiterer mikrobiombasierter Therapien ist jedoch entscheidend, nachzuweisen, ob und wie die vielfach dokumentierten Veränderungen im Mikrobiom tatsächlich ursächlich mit der Krankheitsentstehung verknüpft sind.
Der Vortrag gibt einen faszinierenden Einblick in ein „Organ“, das erst nach der Geburt erworben wird und dessen Funktion uns an unbekannte Ziele bringt.